) bedeutet ursprünglich ‹Meinung›, ‹Erwartung›, ‹Vermutung›, so an den zwei ältesten Belegstellen bei
. In der folgenden Entwicklung teilen sich die Bedeutungen des Begriffes
in eine vor allem im philosophischen Bereich zur Geltung gekommene subjektive Verwendung «die Meinung, die ich habe» (
) und eine mehr literarische und umgangssprachliche objektive «die Meinung, die man über mich hat» (
1. Im
philosophischen Bereich bezeichnet ‹D.› eine meist auf sinnlicher Wahrnehmung beruhende subjektive Meinung, Vorstellung oder Ansicht und drückt – je nach der erkenntniskritischen Haltung des betreffenden Denkers – alle Zwischenstufen von «trügerische Scheinmeinung» bis zu «allgemeingültige Anschauung» aus. So erscheint bei
Parmenides, der als erster die ganze sinnlich wahrnehmbare Welt in Frage stellt, D. in ausgesprochen negativer Bedeutung: die
ßροτῶν δóξαι[3], das heißt die «menschlichen Wahn- und Trugvorstellungen» von der Sinnen weit, stehen im Gegensatz zur
ἀλήθεια (Wahrheit), der sich allein auf das
ὄν, das eigentliche Sein, beziehenden, offenbarten Erkenntnis
[4]. Abgesehen von der negativen Färbung steht dem parmenideischen der D.-Begriff
Platons nahe, wie er im ‹Theaitet› entwickelt und in der ‹Politeia› voll ausgebildet wird (abgesehen sei hier von der recht verschiedenartigen und nuancierten Verwendung von ‹D.› besonders in den Frühdialogen
[5]): Die
ὀρθὴ δóξα (richtige Meinung) – folgert Sokrates – entspricht nicht, wie angenommen, der
ἐπιστήμη (Wissen)
[6], ein negatives Ergebnis, dem an den entscheidenden Stellen der ‹Politeia› eine positive Deutung gegenübersteht: Die D. ist innerhalb der Stufen der Erkenntnis die auf die Welt der Erscheinungen (
ὁρατὸς τóπος) bezogene, somit nur relativ gültige «Wahrnehmungsmeinung», während
νóησις die dem eigentlichen Sein (
τὸ ὄν/νοητὸς τóπος) zugeordnete Erkenntnis bezeichnet
[7]. – Dort, wo an der Gültigkeit der Sinnenwelt kein grundsätzlicher Zweifel mehr geübt wird, tritt auch der erkenntniskritische Gehalt von D. zurück. So kann
Aristoteles die D. neben andern Erkenntnisarten aufzählen
[8], kann sie als «Schein» im Gegensatz zur Wahrheit gebrauchen
[9], ebensogut wie er von
κοιναὶ δóξαι, «allgemein anerkannten Ansichten» spricht
[10]. In der Folge übernimmt daher ‹D.› die Bedeutung «Ansicht/Lehrmeinung» und rückt in die Nähe von
δóγμα (Lehrsatz):
Theophrast hat ein Werk über die ‹Lehren der Physiker›, die
Φυσικῶν δóξαι, geschrieben, und
Epikurs Zusammenstellung der ‹Hauptlehrsätze› nennt sich
Κύριαι δóξαι.
2. Demgegenüber steht die in
literarischen und umgangssprachlichen Texten geläufige Verwendung von ‹D.› für «Meinung, die man über mich hat», an der ältesten Stelle bei
Solon (1, 4) zunächst in der Bedeutung von ‹Ruf›, dann aber allgemein im Sinne von ‹Ruhm, Ehre›
[11] (vgl.
εὐδοξία, ἔνδοξος).
3. Neben diesen zwei im klassischen Griechisch geläufigen Bedeutungsgruppen von ‹D.› kommt im
Hellenismus eine neue auf, welche in keiner Beziehung zu den ursprünglichen steht: ‹D.› ist vom Übersetzer des Alten Testamentes für das hebräische Wort ‹
kabod› gebraucht worden und übernimmt so in der
lxx die Bedeutung von «göttliche Majestät, Glanz, Herrlichkeit» (
claritas in der Vulgata) und drückt die vor allem lichthafte Manifestation Gottes aus. Diese Verwendung, die noch bei
Philo und
Josephus ganz im Hintergrundsteht, hat im Neuen Testament die gemeinhin griechischen Bedeutungen fast ganz verdrängt und darüber hinaus in der frühchristlichen Literatur und auch in nichtchristlichen Texten (Zauberpapyri
[12]) Verbreitung gefunden.