b) Weitgehend losgelöst zwar von der Diskussion in der Logik und Wissenschaftstheorie im logischen Empirismus, jedoch mit ausdrücklichem Bezug auf Aristoteles greift
G. Ryle[1] das K.-Problem für die
Ordinary-language-Philosophy auf, die seit G. E. Moore in Reaktion gegen den englischen Hegelianismus (Bradley, McTaggart) im «common sense» eine Basis philosophischer Reflexion sucht. In Übereinstimmung mit
E. Erwin[2] verwendet
Ryle den Begriff ‹K.› bewußt «auf eine unpräzise, amateurhafte Weise», der die Türen zu ungelösten Sprachproblemen «wie ein Vorschlaghammer» sprengen soll
[3]. Den scholastizistischen Glauben an eine vollständige K.-Tafel lehnt er ab, da die Anzahl der K. vielmehr völlig unbestimmt sei; wie es beliebig viele, ohne systematischen Zusammenhang untereinander bestehende K., also auch keine obersten grundlegenden K. gibt, so kann auch kein vorgegebenes Register logischer Formen zur Klassifikation existieren, zumal die Syntax als Kriterium der K.-Bestimmung keineswegs ausreicht, vielmehr durch das Kriterium semantischer Bedeutungshaftigkeit bzw. Absurdität ergänzt werden muß. Hinsichtlich ihrer Bedeutung sind die K.-Regeln als der Sprache immanente Regeln sinnvoller Rede bei offensichtlichen Verfehlungen aufgrundihrer Trivialität unbedeutend, von besonderer Relevanz hingegen bei verborgenen, hinterhältigen K.-Fehlern, wie sie etwa in der Verwechslung von Dispositionen mit Manifestationen oder in Sätzen wie «Ich lüge jetzt» zum Ausdruck kommen
[4]. Beliebig komplexe Ausdrücke, die einen
unvollständigen Satzrahmen («sentence-frame») vervollständigen können, nennt Ryle «sentence-factors»; deren Index im Satzfragment ist ein Leerstellenzeichen («gap sign»), welches eine bestimmte Gruppe von sentence-factors mit gleichartiger grammatischer Rolle vertritt (z.B.: «... ist im Bett»). Demgegenüber sind es die von diesen sentence factors abstrahierten übersprachlichen «proposition factors», wovon die K. gelten. Mögliche Ergänzungen eines Satzrahmens müssen einem bestimmten grammatischen Typ angehören und proposition factors von bestimmtem logischem Typ ausdrücken. Ryle, und im Anschluß an ihn auch
D. J. Hillman[5], ordnet zwei proposition factors dann verschiedenen K. zu, wenn die die proposition factors vertretenden Ausdrücke als alternative Einsetzungen in bestimmte Satzrahmen in einem Fall bedeutungsvolle, im anderen absurde Sätze erzeugen. Doch kann, wie
Ryle betont, nicht jedes Leerstellenzeichen eines Satzrahmens die K. aller möglichen Einsetzungen allein bestimmen
[6]. Mit diesem Vorbehalt wollte Ryle anscheinend das abwehren, was
J. J. C. Smart[7] und ihm folgend später auch Thompson und Harrison herausstellten: Ryles Test differenter K. bleibe so lange fragwürdig, als z.B. die zum gemeinsamen Gattungsbegriff ‹Mobiliar› gehörigen Begriffe ‹Tisch› und ‹Stuhl› bei Einsetzung in den Satzrahmen «der Sitz des ... ist hart» sich als zu verschiedenen K. gehörig erweisen. Akzeptiert man diese Konsequenzen, so wird im Sinne der von Smart geübten Kritik die Aussagekraft von Ryles Kl. belanglos. Eine nähere Bestimmung des Begriffs ‹proposition-factor› hält Ryle für sinnlos, da ‹factor› für ihn den Sammelplatz aller K.-Unbestimmtheiten repräsentiert. ‹Proposition-factor› ist insofern ein Scheinbegriff, als er nicht losgelöst von einer K. aus der unbestimmten Menge der K., über die der Ausdruck spricht, bestimmt werden kann. Ähnlich problematisch sind Ausdrücke wie «... ist interessant» oder «bezeichnet als ...», von deren Schwierigkeit sich Russell entband, indem er solche «high predicates» im Gegensatz zu
J. W. Cornman[8] als mehrdeutig auffaßte. Cornman formalisiert ein genaues, wenn auch noch zu verfeinerndes Kriterium für K.-Verschiedenheit, das von Fall zu Fall angewendet werden soll, wobei er – unter Berufung auf
Sommers[9] – die «high-predicates» explizit ausschließt. Solange jedoch für die Festlegung von high-predicates selbst kein Kriterium gefunden ist, bleibt auch dieser Lösungsversuch unabgeschlossen, zumal
Cornman trotz seiner klaren Definition eines K.-Unterschiedes letztlich auf unsere Intuitionen verweist.
Eine Verbindung von Sprachphilosophie und Ontologie stellt
F. Sommers' Kl. dar. Ausgehend von den zwei K.-Definitionen Russells und Ryles, versucht er zu zeigen, daß K., die durch Prädikate einer natürlichen Sprache definiert sind, in ihrer Anzahl endlich sein müssen und formuliert ein «law of categorial inclusion», wonach gilt: Sind
C 1 und
C 2 beliebige K., dann besitzen sie keine gemeinsamen Glieder, oder die eine K. ist in der anderen enthalten. Daraus folgt, daß es eine höchste K., die alle anderen enthält, und einige K., die keine anderen enthalten, geben muß. Sommers' Bestimmung der K. als einer Klasse, die durch ein absolutes Prädikat definiert ist, enthält einen Leitfaden, jene in die Umgangssprache eingebettete K.-Sprache offenzulegen. Absolute Prädikate entspringen dabei dem Vorgang der Verabsolutierung und bezeichnen jenen Gegenstandsbereich, auf den ein bestimmtes Prädikat anwendbar oder nicht anwendbar ist. Das absolute Prädikat
P- bezeichnet daher die Klasse, auf die
P oder nicht-
P zutrifft. Die durch Verabsolutierung
von Prädikaten auf diese Weise erhaltene Sprache absoluter Prädikate repräsentiert das ontologische Gerüst der jeweiligen natürlichen Sprache
[10]. Gegen Sommers These von der Isomorphie sprachlicher und ontologischer Strukturen wenden sich R. und
V. Routley[11], die sich ebenso gegen eine rein essentielle sowie eine rein sprachliche Theorie der K. aussprechen. Im Gegensatz zu Hillman treten sie für eine Kl. auf der Basis eines Kriteriums für Bedeutungshaftigkeit und Absurdität nach Art des Ryleschen Versuches ein.
B. Harrison hält den K.-Begriff insofern für sinnvoll, als sich mit ihm linguistische Irrtümer bestimmen lassen, die von Fehlern des Sprachgebrauchs unterschieden werden können. K.-Fehler entspringen nach ihm aus einer Kombination von «linguistic devices» (Regeln des Erlernens des Sprachgebrauchs, die von physikalischen Vorbedingungen abhängig sind), deren physikalische Vorbedingungen unvereinbar sind
[12]. Rein sprachlichen Fehlern werden solche gegenübergestellt, zu deren Erklärung über den sprachlichen Kontext hinaus der Verweis auf die unsprachliche Realität nötig ist. Als Konsequenz dieser Genese der K. vermutet Harrison, daß sich K. weder als einander ausschließend definieren lassen, noch daß jemals eine abgeschlossene K.-Liste zusammengestellt werden könne.
A. D. Carstairs[13] kritisiert an Hillman, daß dessen Kriterium im Gegensatz zu Ryles logischen K. nicht sprachneutral sei; Harrison werde zwar dieser Forderung durch den Rekurs auf physikalische Vorbedingungen gerecht, aber diese Lösung des K.-Problems werde dadurch fraglich, daß diese Vorbedingungen in verschiedenen Sprachen in jeweils verschiedener Zusammenstellung wiedergegeben werden; so gibt es z.B. keine universale Menge physikalischer Vorbedingungen, die eine logische K. von Farbausdrücken bestimmt. In Abwandlung von Harrisons Ansatz sollen nach Carstairs' Vorschlag logische K. als universale Zwänge des Sprachgebrauchs im Rahmen der Suche nach linguistischen Universalien im allgemeinen bestimmt werden, wobei die linguistische Forschung nach Universalien einer philosophischen Kl. vorgeordnet wird.
Skeptischer als Carstairs und z.B. auch Erwin äußert sich
K. R. Popper zur Diskussion der K.-Fehler
[14]. Logiker wie Zermelo, Leśniewski, Quine und andere konnten zeigen, daß formale Sprachen konstruierbar sind, in denen Ausdrücke, die nach Russells Typentheorie einen K.-Fehler aufweisen, durchaus wohlgeformt sein können. Damit ist im Sinne Poppers bewiesen, daß es keine im eigentlichen Sinne (inherently) bedeutungslosen Ausdrücke geben kann. Vor allem bestreitet er, daß es eine logische Methode zur Aufdeckung philosophischen Unsinns geben könne. In natürlichen Sprachen erübrige bereits die Beachtung des konventionellen Sprachgebrauchs und der Grammatik die Rede von K.-Fehlern.
Gemäß
M. Thompsons Intention einer Verbindung der traditionellen aristotelischen Position mit einer linguistischen Behandlung des Problems
[15] sucht
P. F. Strawson in seiner «deskriptiven Metaphysik»
[16], ohne jedoch eine ausgearbeitete Kl. vorzulegen, mit Hilfe des kategorialen Kriteriums der Unterscheidung von «particulars» und «universals» nach einer möglichen Erklärung der Unterscheidung von Subjekt und Prädikat, die
Searle im Hinblick auf die unreflektierte Identifikation des Allgemeinen durch Prädikate kritisiert
[17]. Jedes «Individuum», d.h. jede Identität, die immer als einzelne gegenüber allen anderen auszumachen ist, gehört kraft dessen, daß es eine bestimmte Art von Individuum
ist, zu einer (relativen oder absoluten) K. Ein K.-Fehler entsteht durch die Anwendung eines Prädikats auf ein Individuum, für das es a priori abweisbar ist. Die Kl. soll somit auf den noch unbestimmten Begriff einer identifizierenden Beschreibung des Individuums durch das Prädikat und auf die noch genauer zu fassenden Prinzipien der Identität für Individuen aufgebaut werden. Eine solche Kl., so fordert Strawson, muß erklärende Kraft haben und unseren Intuitionen gemäß sein, zugleich aber einige unserer Intuitionen im Lichte der Theorie korrigieren dürfen.
Die sehr vage Konstruktion eines «categorial framework» durch
S. Körner[18] führt zu einer Subjektivierung, Psychologisierung wie auch Historisierung des K.-Begriffs. Da jeder Mensch gemäß einem der Möglichkeit nach sich ändernden «categorial framework» die Objekte seiner Erfahrungswelt klassifiziert und interpretiert, erweist sich jener kategoriale Rahmen als psychologische Struktur, als der Inbegriff einer Reihe intellektueller Annahmen und Gewohnheiten, deren Erforschung nicht nur Gegenstand der Philosophie, sondern ebenso Thema der Anthropologie, Linguistik und Ideengeschichte ist. Im weitesten Sinne ist ‹K.› demnach eine empirisch-subjektive Formbestimmung des menschlichen Denkens und Erkennens.
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G. Ryle: Cat. Proc. Arist. Soc. (1937/38) 189–206; ND in: Logic and language, 2nd Ser., hg. A. G. N. Flew (1953) 65–81. |
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E. Erwin: Farewell to the cat. mistake argument, in: Philos. stud. (1968). |
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G. Ryle: Dilemmas (1954); dtsch. Begriffskonflikte (1970) 16. |
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The concept of mind (1949); dtsch. Der Begriff des Geistes (1969). |
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D. J. Hillman: On grammars and cat.-mistakes. Mind 72 (1963) 223–234. |
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J. J. C. Smart: A note on cat. Brit. J. Philos. Sci. 4 (1953) 227f. |
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J. W. Cornman: Types, cat., and nonsense. Amer. philos. Quart. Monogr. Ser. Nr. 2: Stud. in log. theory (1968) 73–97, bes. 87. |
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F. Sommers: Types and ontology. Philos. Rev. 72 (1963) 327–363. |
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The ordinary language tree. Mind 68 (1959) 160–185. |
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R. und V. Routley: Cat. – expressions or things? Theoria 35 (1969) 215–238. |
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B. Harrison: Cat. mistakes and rules of language. Mind 74 (1965) 309–325. |
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A. D. Carstairs: Ryle, Hillman, and Harrison on cat. Mind 80 (1971) 403–408. |
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K. R. Popper: Conjectures and refutations (1963) 71. 263f. 293. |
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M. Thompson: Art. ‹Categories›, in: Encyclop. of philos., hg. P. Edwards 2 (1967) 46–55. |
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P. F. Strawson: Individuals (1959); dtsch. Einzelding und log. Subjekt. Ein Beitrag zur deskript. Met. (1972). |
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J. R. Searle: Speech acts (1969);dtsch. Sprechakte (1971) Kap. 5. 4. |
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S. Körner: Cat. frameworks (1970). |